Vorgesetzte können viel gewinnen, wenn sie ihren Führungsstil ändern. Nur wenige wagen diesen Schritt. Doch er lohnt sich.
Und es gibt sie doch. Die Chefinnen und Chefs, die erkannt haben, dass Druck und extrinsische Motivationsfaktoren nur begrenzt zum Erfolg führen. Der Mensch und somit auch die Mitarbeitenden sind einem ständigen Wandel bzw. einer ständigen Veränderung ausgesetzt, welche zur Folge haben, dass sich auch Organisationen und Führungskräfte verändern müssen. Veränderung ist für manche Chefs unangenehm und mit einem gewissen Risiko verbunden. Die,
die es sich aber trauen, einfühlsam und situativ auf ihre Mitarbeiter einzuwirken, sprechen voller Stolz von ihren Erfolgen und dem Output. Empathie hat dabei nichts mit Gefühlsduselei, Gefühlsausbrüchen oder dem gläsernen Menschen zu tun. Alle, die glauben, dass Empathie «weiblich» sei, sollten nun genau weiterlesen. Die Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung. Je offener man mit seinen Emotionen und seinen eigenem Verhalten umgeht, desto besser kann man die Gefühle anderer wahrnehmen und deuten (Goldmann 2004, S. 127). Man ist sich seiner eigenen Verfassung, Stimmung und Gefühle bewusst und trägt diese nicht als unbewusst dominanten Rucksack mit in die Kommunikation.
Empathie hat nichts mit
Gefühlsduselei zu tun.
Empathie hat damit zu tun, sich mit all seinen Sinnen auf das Gegenüber zu Konzentrieren und dem Gesprächspartner die volle Aufmerksamkeit zu schenken (übrigens ein seltenes Geschenk in der heutigen Zeit). All dies erlaubt es, relativ wertfrei und mit hoher Sensibilität eine Beziehung aufzubauen bzw. zu vertiefen. Daraus resultiert eine wertschätzende und offene Kommunikation, die sachlich, nicht emotional gesteuert und damit auch prozess- und lösungsorientiert ist. Das Konzept der empathischen Führung greift die Ideen der situativen und transformationalen Führung auf und fügt ihnen eine Ergänzung hinzu, nämlich die Bedeutung von Resonanz durch einfühlsames Verhalten (Frey 2016: S. 61).
Empathie und Business
Trotz seines Potenzials wird ein empathischer Führungsstil noch mit Skepsis betrachtet. Dies findet zum einen seine Begründung in der Organisationsstruktur und den gewachsenen Kommunikationsformen, die keinen Platz für «neue» Führungsstile zulassen. In das Wort Empathie werden zum anderen oft falsche Eigenschaften interpretiert, die zu wenig hart und zielgerichtet sind und insofern für gestandene Manager (vorwiegend Männer) nichts mit dem Business zu tun haben.
Empathie heisst nicht, dass man sein Inneres rausstülpen muss.
Empathische Führungskräfte haben aber «be-griffen », dass sie Fähigkeiten besitzen, sich in ihr Gegenüber einzudenken und einzufühlen, deren Denkweisen und Eigenarten wahrzunehmen, zu analysieren und interpretieren, um dann diese in die Unternehmensstruktur und für die Unternehmensziele einsetzen zu können. Diese Führungskräfte haben erkannt – und aus der Organisationspsychologischen Forschung ist bekannt, dass ein Führungsstil, der gleichermassen mitarbeitenden- wie aufgabenorientiert ist, bei dem Vorgesetzte persönlich auf ihre Angestellten eingehen und deren Potenziale optimal in das Tagesgeschäft integrieren, erfolgreicher ist. Dies lässt sich anhand von Mitarbeiterzufriedenheit, Fluktuation und im Unternehmensergebnis messen.
Angst vor Machtverlust
Führungskräfte fürchten, dass sie mit einem empathischen Führungsstil zu viele Informationen über ihre Person, ihr Wesen, ihr Denken weitergeben müssten und dabei ihre Macht verlieren könnten. Allerdings bedeutet empathisches Führen nicht, dass man von sich etwas zeigen muss, sondern dass man sich seiner bewusst ist, eine gute Eigenwahrnehmung hat und damit umzugehen weiss. Es heisst nicht, dass man sein Inneres rausstülpen muss, sondern, dass man sich auf den anderen einlässt. Grundlegende Methoden des Zuhörens sind diesbezüglich schon ein Schritt in die richtige Richtung. Führungskräfte fürchten zudem, empathische Mitarbeitende könnten ihre Fähigkeiten bei ihrer Chefin oder ihrem Chef einsetzen und die Kommunikation gestalten, steuern und somit auch ihre Interessen durchsetzen und den Vorgesetzten sogar überholen und diesen eventuell auch um seine Position bringen. Vorgesetzte, die von solchen Ängsten geplagt werden, blockieren Einfühlungsvermögen, gute Kommunikation und respektvollen Umgang, agieren nach dem Top-Down-Prinzip und verweigern einen konstruktiven Austausch. Dies ist bedauerlich, denn dadurch vergeben die Vorgesetzten viele Chancen.
Gewinn für die Arbeitswelt
Aus der Wirkung von Empathie ergeben sich neue Perspektiven für Unternehmen. Abgesehen davon, dass Empathie einen effizienteren und respektvolleren Umgang hervorbringt, bildet Empathie auch eine wesentliche Grundlage für verbessertes Konfliktmanagement. Erst durch gelungenes Einfühlungsvermögen kann man einen erfolgreichen Perspektivenwechsel vollziehen. Friedrich Glasl spricht von Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Gesprächsteilnehmer (Glasl, 2013, S. 17). Diese können mit Empathie überbrückt werden. Weiter senkt situatives empathisches Führen die Mitarbeitendenfluktuation im Unternehmen, da sich diese einfach wertgeschätzter fühlen. Die angesprochene Effizienz kann sich auch als freiere Kreativität wiedergeben, da die Mitarbeitenden weniger Angst vor Fehlern haben, da sie nicht dauernd ein schlechtes Feedback befürchten müssen. Zusammenfassend ergibt sich durch mehr Empathie eine angenehmere Unternehmenskultur, die nach dem Gesetz der Resonanz funktioniert und für Mitarbeitende wie auch Führungskräfte förderlich ist.
Der Empathie im Unternehmen Raum geben
It takes two to tango. Unternehmen, die Empathie in ihren Werten verankert haben, müssen diese selbstverständlich auch von höchster Ebene vorleben und weitergeben. Weiter wäre es notwendig, dass alle beteiligten Personen gleichermassen wissen, worum es bei empathischer Führung und Kommunikation geht. Neben externen Trainings, die das Selbst- und Fremdbild der Führungskräfte und Mitarbeitenden stärken, bräuchte es vor allem keine Angst, der Empathie im Unternehmen einfach Raum zu geben und sie als wesentlichen Bestandteil eines modernen Unternehmens zu sehen. Empathie ist menschlich, ist schwierig, ist echt, ist warm, ist unendlich und ist von Vorteil.
Peter Staudinger im Verbandsjournal bso (Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung) 4-2017, Schweiz.
#bso #empathie #training #peterstaudinger #innovativestraining #trainer #coach #wahrnehmung #fühurng #leadership #erfolgreich #veränderung #change #mutzutun #persönlichkeitsentwicklung #mut #blicknachinnen #hr #oe #pe #führungskräfteentwicklung #mitarbeiterführung #generationgap #respekt #zwischenmenschlicher Umgang #coaching #Beratung